Abkommen mit der EU
Der SEV bleibt wachsam
Am 13. Juni 2025 hat der Bundesrat endlich den Inhalt des neuen Abkommens mit der EU veröffentlicht und in die Vernehmlassung geschickt. Der SEV zieht eine vorsichtig positive Bilanz zum revidierten Landverkehrsabkommen im Rahmen des EU-Vertragspakets, allerdings nicht ohne Vorbehalte: Für den SEV steht fest, dass nur mit griffigen sozialen Absicherungen eine Öffnung des internationalen Bahnverkehrs für ausländische Unternehmen mitgetragen werden kann.

Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 13. Juni die Abkommen des Pakets zur Stabilisierung und Weiterentwicklung der Beziehungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union gutgeheissen und die Vernehmlassung eröffnet. Das revidierte Landverkehrsabkommen enthält wichtige Errungenschaften – viele davon gehen auf gewerkschaftlichen Druck zurück. Doch das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Die Umsetzung auf nationaler Ebene, insbesondere durch das Bundesamt für Verkehr (BAV), wird entscheidend sein.
Matthias Hartwich, Präsident des SEV, betont: «Wir sind für mehr internationale Bahnverbindungen, stehen einer Liberalisierung aber immer noch kritisch gegenüber.» Der SEV hat in den letzten Jahren vehement vor einem unkontrollierten Marktzugang ausländischer Bahnen gewarnt. Umso wichtiger ist es, dass zentrale Forderungen des SEV in den Verhandlungen aufgenommen wurden, wie der Schutz vor Lohn- und Sozialdumping.
Sozialstandards als Knackpunkt
Konkret hebt Matthias Hartwich die im Verhandlungspaket enthaltene Möglichkeit hervor, dass die Schweiz weiterhin verhindern kann, «dass beim Zugpersonal aus dem Ausland Lohndumping stattfindet.» Ebenso entscheidend ist, dass ausländische Anbieter – Staatsbahnen wie private Unternehmen – verpflichtet werden können, sich in das nationale Tarif- und Taktsystem zu integrieren. «Dass der nationale Taktfahrplan bei der Vergabe von Fahrmöglichkeiten Vorrang hat und die Schweiz diese eigenständig regelt, ist enorm wichtig.»
Was neue Anbieter betrifft, bleibt der SEV verhalten optimistisch. Ausländische – auch private – Unternehmen dürften zwar künftig Züge in Eigenregie in die Schweiz führen, allerdings nur ausserhalb des Taktfahrplans. «In diesem Fall handelt es sich um ein zusätzliches Angebot zum regelmässigen Verkehr. Die Kundinnen und Kunden werden entscheiden, ob es für sie attraktiv ist», sagt Matthias Hartwich. Entscheidend ist, dass auch solche Anbieter sämtliche Schweizer Standards einhalten müssten, «etwa für die Sicherheit des Personals und der Passagiere, insbesondere aber für Löhne und Arbeitszeiten.»
Mehr Kooperationen statt Konkurrenz
Der SEV begrüsst die Bestätigung, dass grenzüberschreitende Kooperationen etablierter Anbieter, wie zwischen der SBB und der Deutschen Bahn, weiterhin möglich sind. «Kooperationen sind aus unserer Sicht immer die beste Lösung», erklärt Matthias Hartwich. Das bewährte System internationaler Partnerschaften könne gestärkt werden, sofern auch dort Löhne und Sicherheit gewahrt bleiben. Gleichzeitig warnt der SEV vor einer überzogenen Liberalisierung, denn das Schweizer Bahnnetz sei bereits heute an der Kapazitätsgrenze. «Die Vorstellung unbegrenzter neuer Angebote ist realitätsfern. Die Zahl der freien Trassen in der Schweiz ist begrenzt. Das Bahnnetz ist schon heute an der Kapazitätsgrenze angekommen.»
Güterverkehr: EU-Eingriffe abgewehrt
Ein weiterer kritischer Punkt war die Frage staatlicher Beihilfen für den nationalen Güterverkehr. Auch hier konnte der SEV eine wichtige Absicherung erreichen: «Es ist positiv, dass der nationale Bahnverkehr von der EU-Regelung der staatlichen Beihilfen ausgenommen ist», so Matthias Hartwich. Das bedeutet, die Schweiz darf den Schienengüterverkehr weiterhin fördern, also auch SBB Cargo. «SBB Cargo plant trotzdem einen massiven Abbau. Nicht alle Probleme, die wir in der Schweiz haben, sind auf die EU zurückzuführen. Das muss man auch einmal sagen.»
Schweizer Löhne auf Schweizer Schienen
Die künftigen Regelungen zur Umsetzung des Abkommens in der Schweiz werden für den SEV entscheidend sein. «Wenn wir genug Sicherheit für das Personal und die Kundschaft haben, kann ich mir gut vorstellen, dass wir uns hinter das Vertragspaket stellen», sagt Matthias Hartwich. Doch das Abkommen ist kein Wunschpaket: «Es ist nicht unser Wunschabkommen. Aber wir haben seit 1999 gesehen, dass bilaterale Verträge mit einer anständigen sozialen Abfederung die wohl beste Lösung sind.»
Die wichtigste Erwartung an den Bund formuliert Matthias Hartwich deutlich: «Auf Schweizer Schienen müssen Schweizer Löhne bezahlt werden.» Niemand solle mit ungarischen oder rumänischen Arbeitsbedingungen in der Schweiz operieren dürfen. Es braucht verbindliche Regeln, damit das Arbeitszeitgesetz eingehalten wird und einheitliche Sicherheitsstandards garantiert sind. Der SEV steht hierzu im engen Austausch mit dem BAV, betont aber: «Entscheidend ist, wie griffig wir gewähren können, dass die Sozialstandards eingehalten werden.» Der SEV bleibt wachsam – im Sinne des Personals, der Fahrgäste und eines starken öffentlichen Verkehrs in der Schweiz.
Michael Spahr