Schifffahrt im Tessin
SNL umgeht GAV für den Lago Maggiore

Die Società Navigazione Lago di Lugano (Schifffahrtsgesellschaft auf dem Luganersee, SNL) sorgt für Unmut bei den Gewerkschaften SEV, Unia und Ocst, weil sie die meisten der rund 30 Mitarbeitenden, die heute auf dem Lago Maggiore arbeiten, nicht dem Gesamtarbeitsvertrag unterstellen will, die sie mit den Gewerkschaften für diesen See ausgehandelt hat. Unklarheiten gibt es auch bei der Verwaltung der Pensionskasse des Personals.
«Dies ist ein eklatanter Versuch, den mit den Gewerkschaften unterzeichneten GAV für das Personal in Locarno zu umgehen», sagt SEV-Gewerkschaftssekretär Angelo Stroppini. Dem GAV unterstehen inzwischen nur noch fünf langjährige Mitarbeitende, die an den Streiks von 2017 und 2018 beteiligt waren. Von den Bestimmungen des GAV müsste mittlerweile weit mehr Personal profitieren – ein Umstand, den die SNL offenbar nicht akzeptiert.
Hintergrund des Konflikts ist, dass die SNL seit 2018 Mitarbeitende für den Lago Maggiore einstellt, ohne sie dem ursprünglichen GAV zu unterstellen. Stattdessen werden sie dem Verband des See- und Landverkehrspersonals (APLT) zugeordnet. Der APLT ist keine Gewerkschaft, und die Mitarbeitenden sind laut Angelo Stroppini gezwungen worden, dem Verband beizutreten. Bedenklich ist auch, dass die Sekretärin des Verbands gleichzeitig Sekretärin der Direktion der SNL ist, also absolut nicht unabhängig.
Angelo Stroppini fügt an: «Dass das Personal nicht unter dem mit den Gewerkschaften ausgehandelten GAV angestellt ist, hat auch Auswirkungen auf die korrekte Anwendung der Arbeitszeitregelungen im Bundesgesetz und in der entsprechenden Verordnung.» Das Bundesamt für Verkehr hat deswegen bereits am 29. Juni 2022 interveniert und festgestellt: «Die SNL bringt durch ihr Verhalten ihre Angestellten in die schwierige Situation, die Regeln verletzen zu müssen und/oder nicht einhalten zu können.»
Fragwürdiger Wechsel der Pensionskasse
Für Unmut sorgt auch, dass die SNL per 1. Januar 2022 für das ganze Personal die Pensionskasse gewechselt hat, obwohl die vorherige Kasse Symova solide aufgestellt war. Diese hatte zum Austrittszeitpunkt Ende 2021 einen Deckungsgrad von 111,97 %. Bei der neuen Kasse Valitas betrug der Deckungsgrad Ende 2022 nur noch 94,2 %, und ihre Performance lag 2022 mit – 16,51 % weit unter dem Symova-Ergebnis von – 6,3 % und unter der UBS-Benchmark von – 9,63 %. «Auf Wunsch des Personals und mit Unterstützung des SEV-Finanzverwalters Aroldo Cambi sind wir daran, einige Aspekte dieser Pensionskasse zu klären. Wir haben der Valitas-Verwaltungskommission der SNL eine ganze Reihe von Fragen gestellt», erklärt Stroppini.
Um das betroffene Personal zu schützen, haben die Gewerkschaften auf ein Treffen mit der SNL-Leitung gedrängt, das nun am 21. Mai stattfinden soll. Dabei sollen die GAV-Umgehung und die Fragen zur Pensionskasse besprochen werden . «Als SEV prüfen wir verschiedene Fragen im Zusammenhang mit der Arbeitszeit und wollen diese zunächst mit der Unternehmensleitung erörtern. Falls wir keine Antworten erhalten, besteht der nächste Schritt darin, uns ans Bundesamt für Verkehr zu wenden», so Stroppini. Zwar agiert die SNL formal als Privatunternehmen, erhält aber vom Kanton finanzielle Unterstützung und hat für den Betrieb eine Konzession des Bundes. Daher könnte das BAV als Aufsichtsbehörde durchaus involviert werden.
Veronica Galster