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Kein Streik bei den Genfer Verkehrsbetrieben

TPG anerkennen hohe Belastung des Personals

Mit 64 % haben die SEV-Mitglieder bei den Genfer Verkehrsbetrieben (TPG) einer Vereinbarung zugestimmt, die weitgehend den Forderungen des SEV entspricht: sofort mehr Lohn, rasche Anstellung von mehr Personal, Aufstockung der Reserve, Kompensationen für Belastungen, Verlängerung des Moratoriums zu den Parkplätzen. Die TPG verpflichten sich auch zu mittelfristigen Massnahmen, vor allem zu einer kompletten Überarbeitung der Dienstpläne, um die Arbeit verträglicher zu machen. Die Streikankündigung wurde aufgehoben.

Vom 25. April bis zum 6. Mai konnten die Mitglieder der SEV-Sektion TPG schriftlich über letzten Vorschläge von Direktion und Verwaltungsrat der TPG abstimmen. Die Beteiligung war gut und das Ja mit 64 % klar. Doch ein Drittel der Teilnehmenden lehnte die Vereinbarung ab, wohl aus Misstrauen gegenüber der Direktion.

«Die Vereinbarung ist das Ergebnis monatelanger, intensiver Verhandlungen», sagt SEV-Gewerkschaftssekretärin Aurélie Lelong, die für die TPG zuständig ist. «Wir haben nicht alles erreicht, aber erstmals hat die Direktion das Leiden des Fahrpersonals anerkannt und mit uns konkrete Lösungen dazu erarbeitet. Kurzfristig werden für besondere Belastungen Entschädigungen eingeführt. Mittelfristig sollen bessere Dienstpläne und zusätzliche Mitarbeitende Entlastung bringen.» Seit dem Streik im Oktober 2022 waren Personalforderungen zu den Arbeitsbedingungen unerfüllt geblieben. Sie betrafen insbesondere das Leiden von Fahrerinnen und Fahrern bei der Arbeit, das die Leitung nicht zur Kenntnis nehmen wollte.

Personal soll weniger leiden

Die Mitarbeitenden forderten insbesondere eine Verkürzung der Arbeitszeiten und der Zeit hinter dem Lenkrad (keine Lenkzeiten von mehr als vier Stunden) sowie eine Aufstockung der Reserve, damit Ruhetage wirklich bezogen werden können. Hinzu kam die Unzufriedenheit über unvollständige Teuerungsausgleiche, die zu Reallohnverlusten führten.

Ein neuer Regierungsrat an der Spitze des für die TPG zuständigen Departementes und die neue Verwaltungsratspräsidentin sorgten für einen neuen Verhandlungsrahmen. «Die TPG-Leitung zeigte sich erst unter der Streikdrohung reaktionsfähig», bedauert Aurélie Lelong. Die Streikankündigung vom 31. Januar musste mehrmals ausgesetzt und reaktiviert werden. Und es brauchte viele Verhandlungsrunden, davon mehrere als «letzte Chance» nach Reakti-vierungen der Streikankündigung, sowie mehrere Konsultationen der SEV-Basis, bis die Unternehmensleitung die Dringlichkeit der Personalforderungen anerkannte und zu Lösungen Hand bot, die der Vorstand der SEV-TPG-Sektion als «vorzeigbar» gutheissen konnte.

Ehrgeiziger Rekrutierungsplan

Am Treffen der «letzten Chance» vom 16. April unter dem Druck eines SEV-Ultimatums bis zum 24. April machte die Direktion feste Zusagen bezüglich der Forderungen und einer schnellen Umsetzung und verlangte auch nicht mehr eine Gegenleistung. Sie garantierte 30 Stellen in der Reserve per 1. Juli 2024 mit einer Lockerung der Bewerbungskriterien, lancierte einen ehrgeizigen Plan zur Anstellung von 200 Fahrer:innen bis Ende 2024 und kündigte eine vollständige Überarbeitung der Dienstpläne bis spätestens Ende 2025 an. Zudem schlug sie vor, die in der Zwischenzeit fortdauernden besonderen Belastungen im Fahrdienst durch ein Kompensationssystem zu anerkennen und honorieren. Die Idee schien interessant, musste aber noch konkretisiert werden, bevor ihr wirklicher Wert beurteilt werden konnte.

«Zähler» für Belastungen

Zwei Tage später wurden die Hauptkriterien für schwere Arbeit festgelegt: Lenkzeit von mehr als 4 Stunden 15 Minuten, Zuweisung von Arbeitszeiten ausserhalb der bevorzugten Zeit, zu kurze effektive Wendezeiten, zu lange Dienstschichten usw. Und es wurden Regeln erarbeitet, wie die Belastungen gezählt und kompensiert werden sollen: mit garantierten freien Tagen oder, falls gewünscht, mit Geld. Dieses Belastungsausgleichssystem ist als Sofortlösung gedacht, bis die hohen Belastungen des Fahrpersonals verschwunden sind.

Das Kompensationssystem soll gemäss der Vereinbarung, welche die SEV-Basis gutgeheissen hat, nach ihrer Unterzeichnung sofort in Kraft treten. Ebenfalls sofort wirksam werden sollen eine Lohnerhöhung von 1,2 % und die Direktanstellung neuer Mitarbeiter:innen in der vertraglichen Funk-tionsklasse bzw. eine entsprechende Höhereinreihung bisheriger Angestellter. Dazu kommen noch Massnahmen für Auszubildende und ihre Ausbilder:innen sowie die Möglichkeit, ab 59 Jahren den Beschäftigungsgrad (und Lohn) um 10 % zu reduzieren, während bei der Pensionskasse der bisherige Lohn versichert bleibt dank Einschüssen der TPG.

Die Vereinbarung umfasst auch spezifische Massnahmen für das Fahrpersonal: Entlastung durch vier Ablöser:innen pro Woche mobil auf dem Netz in Spitzenzeiten, keine Lenkzeiten über 4 ½ Stunden ab 19. August 2024, vollständige Überarbeitung der Dienstpläne mit Zustimmung des Personals, um vor allem Lenkzeiten über vier Stunden abzuschaffen, und spätestens ab Dezember 2025 fünf verkürzte Zeitfenster für die «voltigeurs»: d. h. die dienstjüngsten Fahrer:innen, die an gewissen Tagen solche Fenster statt fester Dienste zugeteilt erhalten.

Pausenräume und Toiletten

Gearbeitet wird auch an den Pausenräumen (Eröffnung neuer oder Erweiterung bestehender Räume) und Toiletten (neu tagsüber am «Jardin botanique», fünf Endstationen haben noch keine). Dazu kommt die Verlängerung des Moratoriums bezüglich Parkplatzgebühren um ein Jahr sowie der erwähnte Rekrutierungsplan.

«Wir werden natürlich darüber wachen, dass die Leitung die eingegangenen Verpflichtungen einhält. Und wir danken unseren Kolleginnen und Kollegen, die sich während der ganzen Verhandlungen mobilisiert und ihre Meinung klar zum Ausdruck gebracht haben. Dank ihrer Entschlossenheit haben wir Massnahmen erreicht, die die Belastung der Fahrer:innen reduzieren und den Beruf attraktiver machen. Das Unternehmen hat verstanden, dass das zu seinem Vorteil ist, weil es nur so das nötige Personal rekrutieren kann, das es für die Mobilität der Zukunft braucht», sagt Aurélie Lelong.

Yves Sancey