Stopp Gewalt
Aggressionen (7) – auch im Tourismus: ein Mitglied erzählt

Eva Schmid. Urs arbeitet bei einer Bergbahn. Begonnen hat er als Zugbegleiter. Heute ist er Fahrdienstleiter und auch Vorstand auf der Bergstation. Er liebt den Kontakt mit den Gästen in der eindrücklichen Bergwelt. Doch die zunehmenden Aggressionen im Tourismus beschäftigen ihn. Zum Glück war er bisher nie von körperlicher Gewalt betroffen. Verbale Angriffe hingegen erlebt er immer wieder. Läuft etwas nicht nach den Vorstellungen der Gäste, reagieren einige mit Beschimpfungen wie «unfähig» oder «Idiot». Solche «Ausrutscher», wie Urs sie nennt, kämen häufig von Schweizer Gästen. Oft fehle das Verständnis, dass eine Fahrt ohne Reservation nicht immer möglich ist, weil die Bahn zur gewünschten Zeit schon ausgebucht ist.
Heikel kann es beim Einsteigen werden. Ist die Bahn eingefahren und die Absperrung für die wartenden Fahrgäste einmal geöffnet, drängen viele nach vorne. «Jeder ist sich selbst der Nächste», erzählt Urs. «Die Ellbogen werden ausgefahren, es wird gerannt – manchmal fällt sogar jemand oder wird weggeschubst.» Auch deshalb seien seine Kollegen und er bestrebt, die Absperrung so früh wie möglich zu öffnen. Neulich erlebte er, wie ein Gast direkt auf ihn zurannte. Hätte er nicht reagiert, wäre der Mann wohl in eine Familie hineingestürzt. Urs entschied sich, stehen zu bleiben und bremste den Gast mit seinem Körper ab. Nach einem kurzen Moment der Spannung akzeptierte der Mann die Situation und ging weiter. Auch zwischen Gästen kann es zu aggressiven Szenen kommen. Während seiner Tätigkeit wurde Urs zwei- bis dreimal Zeuge von offenen Drohungen zwischen Fahrgästen – etwa mit Worten wie: «Ich haue dir eins in die Fresse.»
Trotzdem fühlt er sich gut abgesichert. Als Zugbegleiter fährt er im vordersten Bahnabteil mit; die Gäste steigen in den hinteren Abteilen ein. Auch ist der Funkkontakt stets gewährleistet und bei der Tal- sowie Bergstation sind immer mehrere Mitarbeitende anwesend. «So kann man sich im Team gegenseitig unterstützen», erklärt Urs.
Allerdings stellt Urs fest, dass der Ton in den letzten Jahren rauer geworden ist, was er auch an früheren Arbeitsstellen beobachtet hat. Viele Gäste seien gestresst, manche überfordert mit der Organisation ihres Ausflugs. «Es fehlt oft an Geduld und Rücksicht», sagt er. «Wir tun alles, damit die Gäste ein schönes Erlebnis haben – aber dafür braucht es auf beiden Seiten Respekt.» Wenn Urs am Drehkreuz ruft «Slowly, do not run!», ist das längst mehr als eine Sicherheitsanweisung. Es ist eine Bitte um ein respektvolles Miteinander – und darum, den Tag in den Bergen gelassener zu geniessen.
Fahrgäste verurteilt
Verbale Angriffe können zur Verurteilung führen: «La Liberté» berichtete am 16. Oktober, dass zwei besonders unanständige und rückfällige Fahrgäste zu unbedingten Strafen in Form von Tagessätzen verurteilt wurden, weil sie eine Busfahrerin und einen Busfahrer im Greyerzerland beleidigt hatten. 1800 Franken für «dreckige Schlampe» und «schlecht gef...» für den einen sowie 1400 Franken für den anderen, der ebenso unflätig war. ysa