Verhandlungsabläufe
Der SEV lebt die Demokratie

Die Mitglieder des SEV bestimmen und gestalten mit, welche Arbeit die Gewerkschaft des Verkehrspersonals leistet. Demokratie ist für den SEV ein zentrales Prinzip, nicht bloss eine leere Worthülse. Doch wie funktioniert Demokratie beim SEV? Ein Interview mit SEV-Vizepräsident Patrick Kummer.
Patrick Kummer, du betreust als Vizepräsident unter anderem das Dossier SBB und bist Verhandlungsleiter. Ein Grossteil aller SEV-Mitglieder arbeitet dort. Wie schafft es der SEV, so viele Mitglieder demokratisch mitbestimmen zu lassen? Ist das überhaupt möglich?
Das ist möglich. Das heisst, wir müssen es immer wieder aktiv ermöglichen. Die Basis des SEV muss mitsprechen und mitbestimmen können. Wenn wir beispielsweise mit der SBB verhandeln, können wir aber nicht gleichzeitig mit mehreren Tausend Menschen im Austausch sein. Doch wir müssen dafür sorgen, dass die zum Teil sehr unterschiedlichen Interessen von mehr als 12 000 bei SBB arbeitenden Kolleginnen und Kollegen für die Verhandlungen konsolidiert und die Berufsgruppen in der Verhandlungsdelegation abgebildet werden. Wir müssen ein Mandat von der Basis haben, das uns Verhandlungen ermöglicht.
Wie kommt die Verhandlungsdelegation zu diesem Mandat? Nehmen wir das Beispiel GAV-Verhandlungen bei der SBB.
Das Mandat für Verhandlungen erteilt die GAV-Konferenz. Diese besteht aus knapp 150 Kolleginnen und Kollegen aus den verschiedensten Berufsgruppen und Regionen. Diese Kolleginnen und Kollegen werden von den SEV-Unterverbänden delegiert, in denen unsere bei SBB tätigen Mitglieder organisiert sind, und von den Kommissionen (Frauen, Jugend, Migration). Die Meinungsbildung beginnt bereits in den Unterverbänden und Sektionen und wird durch die Delegierten in die GAV-Konferenz getragen. Jeder Unterverband ist gemäss seiner Grösse und mit Delegierten aller Landessprachen vertreten. In der GAV-Konferenz stellen die Delegierten Anträge, diskutieren über diese und stimmen ab. Wir müssen sicherstellen, dass alle Delegierten ihre Meinung offen einbringen können und mit gegenseitigem Respekt diskutieren. Aus der GAV-Konferenz entsteht dann unser Mandat.
Bei der SBB konsolidieren wir unser Mandat noch mit den weiteren Verbänden VSLF, Transfair und KVöV. Sobald das Mandat definitiv konsolidiert ist, nimmt die Verhandlungsdelegation unter der Leitung des SEV die Verhandlungen mit dem Unternehmen auf. Wie ein Verhandlungsprozess abläuft, haben wir in diesem Diagramm vereinfacht dargestellt:

Sehr wichtig hervorzuheben ist, dass wir für die Zustimmung zu Verhandlungsergebnissen wiederum ein Mandat benötigen. Falls das Verhandlungsergebnis vom ursprünglichen Mandat abweicht, muss das Resultat zwingend in der GAV-Konferenz besprochen und abgenommen werden.
Auch in den anderen konzessionierten Transportunternehmungen spricht die Basis mit. Es gib in der Regel keine GAV-Verhandlungen ohne Vertretung der Miliz in der jeweiligen Verhandlungsdelegation. Ist dieses Vorgehen nicht schwerfällig?
Das Vorgehen ist nicht immer einfach, ich persönlich würde es als «spannend herausfordernd» bezeichnen. Spannend, weil wir immer im Austausch mit unseren Mitgliedern stehen und oftmals heterogene Interessen zusammenführen müssen. Herausfordernd, weil wir basisdemokratisch handeln und diese Basisdemokratie immer wieder aktiv gepflegt und gelebt werden muss. Wenn wir am Schluss dann ein Verhandlungsresultat erzielen, ist dieses sehr breit abgestützt und wird von der grossen Mehrheit getragen.
Wie kann ich als Neumitglied beim SEV aktiv werden und mich allenfalls selber direkt in Verhandlungen einbringen?
Das ist im Prinzip sehr einfach. Du bist Mitglied einer SEV-Sektion und kannst dich in deiner Sektion engagieren. Nimm an Versammlungen und Aktivitäten deiner Sektion teil. Am besten engagierst du dich im Vorstand und lässt dich als Delegierter für verschiedene Gremien aufstellen. Wenn du dich wirklich engagieren willst, gibt es fast immer einen Platz.
Michael Spahr