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SBB Feuerwehr – Intervention

Ein Tag am Interventionsstandort Biasca

Lösch- und Rettungszug (LRZ) im Gotthard-Basistunnel. © SBB

Wenn ein Bahnwagen entgleist, ein Reh angefahren wird oder in einem Bahntunnel ein Feuer ausbricht, wer sorgt dann für Sicherheit und schnellstmögliche Wiederaufnahme des Bahnbetriebs? In diesen und anderen Fällen kommen die Lösch- und Rettungszüge der SBB zum Einsatz. Wir haben einen ihrer 15 Interventionsstandorte besucht, um uns deren Arbeitsweise erklären zu lassen.

Paolo Tappa, Leiter des Interventionsstandorts Biasca.

Die «SBB Feuerwehr – Intervention» ist in vier Regionen mit insgesamt 15 Standorten unterteilt, an denen rund 350 Mitarbeitende beschäftigt sind, die einen Einsatz innerhalb von 30 bis 45 Minuten gewährleisten können. Sicherheit und Pünktlichkeit stehen im Mittelpunkt, denn durch die sichere und schnelle Bewältigung von Ereignissen vor Ort trägt SBB Intervention zur Sicherheit und Pünktlichkeit der Bahn bei. «Unsere Hauptaufgabe besteht darin, bei Störungen einzugreifen und die Wiederaufnahme des Betriebs zu ermöglichen», erklärt Paolo Tappa, Leiter des Interventionsstandorts Biasca. «Manchmal sind wir auch präventiv bei Grossveranstaltungen wie dem Rabadan in Bellinzona und Sportveranstaltungen im Einsatz.»

Die Einsatzbereitschaft wird durch den Dienst C gewährleistet, der bei jedem Ereignis innerhalb von fünf Minuten eingreifen muss. Handelt es sich um einen komplexen Einsatz, der eine strukturiertere Vorgehensweise erfordert, kommt der Dienst B zum Einsatz, der dann die Koordination und Leitung übernimmt. Ist das Problem noch grösser, wie beispielsweise bei der Entgleisung im Gotthard-Basistunnel vom 10. August 2023, dann gibt es zehn für den Dienst A ausgebildete Personen, die zusammen mit der Leitung auf strategischer Ebene die Wiederherstellung der Situation organisieren.

Einsätze, die nur die SBB betreffen, unterstehen dem Einsatzleiter Bahn. Sind weitere Ersthelferorganisationen involviert und gibt es einen Leiter für den Einsatz insgesamt, dann fällt der Lösch- und Rettungszug (LRZ) unter die Leitung der Feuerwehr.

Der Standort Biasca ist Teil des sogenannten «Einsatzkonzepts Süd» und ist mit seinen 39 Mitarbeitenden rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche einsatzbereit. Es ist der grösste Interventionsstandort.

Ein typischer Tag

Nadir, Feuerwehrangehöriger und Lokführer, im Führerstand des LRZ.

Nadir ist Angehöriger der Feuerwehr und Lokführer in Doppelfunktion und seit diesem Jahr stellvertretender Gruppenleiter. Er schildert uns einen typischen Arbeitstag als Mitarbeiter des Interventionsstandorts Biasca: Seine Hauptaufgabe besteht darin, den LRZ zum Einsatzort zu bringen und dort die erforderlichen Aufgaben zu erfüllen. Er arbeitet jeweils 24 Stunden und hat dann 48 Stunden frei. Diese Schichtorganisation garantiert eine ständige Präsenz rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche: «Ich beginne meinen Arbeitstag um 7 Uhr morgens und habe ein zehnminütiges Briefing mit dem Team, um den Tag zu planen. Dann muss ich den Zug testen, um zu sehen, ob alles in Ordnung ist, und normalerweise fahre ich ein paar Stunden», erklärt Nadir, der als Lokführer B100 mindestens 100 Fahrstunden pro Jahr absolvieren muss.

Auch ausserhalb der Einsätze sitzt man im Erhaltungs- und Interventionszentrum (EIZ) natürlich nicht untätig herum: «Wir machen Wartungsarbeiten oder nehmen an internen und externen Schulungen teil, aber wir müssen immer innert fünf Minuten einsatzbereit sein, am Tag und in der Nacht», sagt Nadir. «Das wird sozusagen zu unserem zweiten Zuhause.»

Während der 24-Stunden-Schicht arbeitet man natürlich nicht die ganze Zeit, sondern von 7 bis 12 Uhr und von 14 bis 18 Uhr (vorbehaltlich von Einsätzen), während man in der übrigen Zeit vor Ort anwesend sein muss, aber sonst tun kann, was man will. Am Standort Biasca gibt es neben den Zimmern (eines für jede anwesende Person) einen Aufenthaltsraum mit Fernseher, eine Küche und einen Raum mit Fitnessgeräten.

Dieses 24/48-System gibt es derzeit nicht nur am Standort Biasca, sondern auch in Melide, Erstfeld, Olten und Zürich, während die anderen Standorte von Montag bis Freitag eine 24-Stunden-Präsenz gewährleisten und am Wochenende einen Bereitschaftsdienst haben. «In Biasca sind wir 20 Lokführer, die auch eine Feuerwehrausbildung haben. Wir müssen somit regelmässig Fortbildungskurse für beide Funktionen absolvieren, die teils von der SBB und teils von externen Anbietern organisiert werden.»

In den Jahren seiner Tätigkeit als Feuerwehrmann und Lokführer hat Nadir Einsätze verschiedener Art und Schwierigkeit erlebt: «Am meisten beeindruckt hat mich wohl ein Suizid am Heiligabend, als ich in Rotkreuz arbeitete, vor allem, weil er sich in der Weihnachtszeit ereignete. Der grösste Einsatz war wahrscheinlich jener beim Zugunglück im Gotthard-Basistunnel im Jahr 2023, als wir uns um die ganze Evakuierung des Zuges und des Materials bis zum Beginn der Reparaturen an der Infrastruktur kümmerten. Es gab viel zu organisieren und reorganisieren, ein grosses Kommen und Gehen von Menschen ... Die ersten zwei oder drei Monate waren sehr intensiv, auch weil wir daneben weiterhin unsere tägliche Arbeit leisten mussten», erzählt Nadir noch immer mit Leidenschaft.

Der Lösch- und Rettungszug

Blick in ein Rettungsfahrzeug des LRZ.

Schliesslich steigen wir in den LRZ 2008 bestehend aus zwei Rettungsfahrzeugen und einem Gerätefahrzeug, die alle drei autonom funktionieren, sowie dem Tanklöschwagen. Dieser verfügt über zwei Wasser- und Schaumwerfer – wobei jener auf dem Kabinendach 2400 Liter pro Minute bis 70 Meter weit wirft dank 8 bar Druck, über einen 48 000-Liter-Tank sowie 1800 Liter Schaumextrakt.

«In jedem Rettungsfahrzeug haben wir 60 Plätze und können Erste Hilfe leisten», erklärt Nadir weiter. «Wir haben eine medizinische Grundausbildung dafür, aber in der Regel fährt bei einem Einsatz immer auch jemand vom Rettungsdienst mit.» Die Räume dieser Wagen verfügen über ein von der Aussenluft unabhängiges Belüftungssystem, sodass im Falle eines Brandes im Tunnel kein Rauch eindringen kann und man atmen kann.

Nach den Rettungsfahrzeugen und dem Tanklöschwagen folgt der Hilfswagen, der bei Entgleisungen zum Einsatz kommt, und der Chemiewagen, der von der Feuerwehr Bellinzona betrieben wird, die für chemische Einsätze auf der gesamten Sopra-Ceneri-Bahnlinie, im Gotthard-Basistunnel (in Zusammenarbeit mit der Chemiewehr Uri) und im Ceneri-Basistunnel (in Zusammenarbeit mit der Feuerwehr Lugano) zuständig ist.

Veronica Galster

Statistik 2024

Im Jahr 2024 leistete SBB Intervention schweizweit 9718 Einsätze – etwa gleich viele wie 2023, wobei es mehr Einsätze wegen Entgleisungen, Kollisionen und Personenunfällen gab. Von den gesamten Einsätzen betrafen 565 blockierte Güterzüge, 1549 Personenzüge und 227 Dienst-/Lokzüge. 1491 Einsätze betrafen Personen, 148 Entgleisungen, 134 Gefahrengüter und 3682 Tiere. 241 erfolgten auf der Strasse, 402 bei Bränden, 1145 für Hilfeleistungen (Gegenstände im Gleisbereich, Hilfe, Naturereignisse, Dienstleistungen) und 104 bei Veranstaltungen.