Auf den Spuren von ...
Giuseppe Lupica, Rangierlokführer

Wir treffen Giuseppe auf dem Rangierbahnhof Chiasso anlässlich eines Gewerkschaftsaktionstages. Giuseppe ist aufgeschlossen und redegewandt und als Gesprächspartner fühlt man sich sofort wohl. Man merkt an der Art, wie sie ihn ansprechen, dass er von seinen Kollegen geschätzt wird. Nach einem Schichtwechsel finden wir Zeit für das Interview.
Geboren und aufgewachsen in der Nähe von Soverato in Kalabrien, wo er eine Hotelfachschule besuchte, kam Giuseppe Lupica mit 17 Jahren in die Schweiz. Das war 1980: «Von den verschiedenen Metiers, die wir in der Hotelfachschule lernten, mochte ich das Kochen am liebsten, weil es mir ermöglichte, kreativ zu sein. So kam ich nach Lugano, um als Koch im Hotel Monte Ceneri in der Via Nassa (der schicksten Strasse Luganos, Anm. d. Red.) zu arbeiten», erzählt er. Nach einigen Jahren in der Küche eines eleganten Hotels landete Giuseppe in den Küchen der Speisewagen von Fernzügen, blieb dort jedoch nur kurze Zeit, da er 1990 aufgrund von Personalüberhang arbeitslos wurde. Ein bisschen zufällig, ein bisschen vielleicht auch, weil die Erfahrung in den Speisewagen einen bleibenden Eindruck hinterlassen hatte, bewarb er sich bei der SBB und wurde als Betriebsangestellter eingestellt.
Anstellung bei der SBB
«Nachdem ich eine Weile als Betriebsangestellter gearbeitet hatte, wurde ich zum Rangierer und dann zum Rangiervorarbeiter ernannt. Zu diesem Zeitpunkt war ich unentschlossen, ob ich Rangierleiter oder Lokführer werden sollte, und habe mich für den Lokführer entschieden, einen Beruf, den ich nun seit 17 Jahren mit grosser Freude ausübe», erklärt er. «Das Fahren der Lokomotive macht mir wirklich sehr viel Spass, und es fällt mir nicht schwer, zur Arbeit zu gehen. Ausserdem habe ich so die Möglichkeit, nicht nur als Lokführer zu arbeiten, sondern auch mit anderen Menschen zusammenzusein und mich mit Kollegen auszutauschen. Das ist mir wichtig, ich könnte keinen einsamen Beruf ausüben.»
Aber worin besteht die Arbeit eines Rangierlokführers konkret? Das hängt von den Schichten ab, wie Giuseppe erklärt, es gibt verschiedene Aufgaben zu erledigen: «Manchmal müssen wir Züge sortieren oder einen Zug, der gerade zusammengestellt wurde, auf ein Abfahrtsgleis stellen. Manchmal müssen wir Wagen aus dem Zug entfernen, weil es ein Problem damit gibt oder um die Ladung zu sichern. Kurz gesagt, wir teilen Züge, stellen sie wieder zusammen und rangieren sie.» Eine ziemlich abwechslungsreiche Arbeit, bei der es nie langweilig wird und die Giuseppe angesichts der Begeisterung, mit der er sie uns erklärt, wirklich zu lieben scheint.
Gewerkschaftliches Engagement
Wie ist Giuseppes Verhältnis zur Gewerkschaft? «Ich bin 1990 sofort dem SEV beigetreten. Damals war das ganz selbstverständlich: Sobald man bei der Bahn anfing, kam ein älterer Kollege und ermunterte einen zum Gewerkschaftsbeitritt. Zunächst war ich bis 2017 als Sekretär im Vorstand des Unterverbands des Rangierpersonals RPV tätig. Als ich Lokführer wurde, wechselte ich zum LPV (Lokpersonal) und bin nun auch dort Sekretär.»
Für Giuseppe sind das aktive gewerkschaftliche Engagement und die Solidarität unter Kollegen sehr wichtig. Das zeigt sich auch in seiner Haltung gegenüber jungen Menschen, die in Chiasso anfangen zu arbeiten, und in seinem Verhältnis zu seinen Kollegen: Er interessiert sich für sie, fragt nach. Als wir dort sind, bemerkt er, dass einer der Jungen eine zerrissene Warnweste hat, und bittet sofort einen Kollegen, ihm eine neue zu besorgen.
«In den letzten Jahren habe ich mich oft um die Beratung und Unterstützung meiner Kollegen gekümmert, ich habe an verschiedenen SEV-Kongressen und Delegiertenversammlungen teilgenommen und bin seit einem Jahrzehnt Mitglied der Peko.»
In den Jahren seiner Tätigkeit in Chiasso hat er verschiedene Veränderungen miterlebt: Er erzählt uns, dass zu Beginn seiner Karriere auf den beiden Bahnhöfen von Chiasso (Rangierbahnhof und Personenbahnhof) etwa sechshundert Mitarbeitende beschäftigt waren, während es heute nur noch etwa hundert Personen sind. «Ich freue mich jedoch, dass die SBB neue Mitarbeitende einstellt, und ich hoffe und wünsche mir, dass die internationale Politik etwas unternimmt, damit es mehr Arbeitsplätze gibt», sagt er. «Die aktuellen Kriege wirken sich auch negativ auf die internationale Transportwirtschaft aus.»
Hobbys
Arbeit und Gewerkschaftstätigkeit sind aber nicht alles: Giuseppe hat zwei mittlerweile erwachsene Töchter und betreibt verschiedene Hobbys, die ihn in seiner Freizeit ziemlich auf Trab halten. Er liebt das Tauchen, sei es in Seen oder im Meer. Schliesslich stammt er aus einer wunderschönen Gegend Kalabriens, deren kristallklares Meer selbst tropischen Stränden in nichts nachsteht.
Er interessiert sich auch für Numismatik, also die Wissenschaft von Münzen und ihrer Geschichte. Und als ob das noch nicht genug wäre, ist er auch noch Fussballschiedsrichter.
Veronica Galster