Auf den Spuren von ...
Jeylan Beck, Kundenbegleiter
Ob im Pendlerzug durchs Rheintal, auf dem Abstellgleis oder im Nachtzug – Jeylan Beck sorgt dafür, dass alles rund läuft. Der junge Kundenbegleiter aus Buchs SG liebt seinen Beruf und kämpft als Gewerkschafter für gute Arbeitsbedingungen. Ein Porträt zwischen Schienenalltag und Nachtzugromantik.

Die Sonne steht hell über der Rheintaler Berglandschaft, als Jeylan Beck in dunkelblauer Uniform dem Perron entlanggeht, um den ersten Zug während seiner Schicht abfahrtsfertig zu machen. Kurz zuvor hat er sich am Telefon mit seinem österreichischen Kollegen ausgetauscht, um die notwendigen Daten für den Nachtzug nach Graz und Zagreb zu erhalten, den er im Verlauf seiner Schicht in Zürich vorbereiten und begleiten wird. Der 21-jährige Kundenbegleiter arbeitet bei der SBB. Zwischen Buchs, Sargans, Chur und Zürich hält jeder Tag Überraschungen bereit – von verlorenen Handys über spontane Durchsagen bis hin zu Konflikten, die geschlichtet werden müssen.
Eisenbahn im Blut
Die Leidenschaft für Züge liegt in der Familie. Sein Grossvater gründete in Schaan FL, wo Jeylan aufgewachsen ist, die fürstliche Eisenbahnromantikstiftung. Schon als Bub stand er mit grossen Augen neben den Schaffnern und durfte sogar selbst Billette kontrollieren. Später, in der Sekundarschule, war der Berufswunsch längst klar: Eisenbahn. Seine erste berufliche Station absolvierte Jeylan bei login, wo er die berufliche Grundbildung zum Detailhandelsfachmann EFZ absolvierte. 2022 folgte die Ausbildung zum Kundenbegleiter, die er 2023 abschloss. Seitdem arbeitet Jeylan auf den Schienen. «Ich wüsste nicht, was ich sonst tun sollte», sagt er. «Dass ich mein Hobby zum Beruf machen konnte, ist das Beste, was mir passieren konnte.» Um seine Leidenschaft zu teilen und sein Wissen weiterzugeben, engagiert er sich seit Sommer 2024 als Berufsbildner und begleitet Lernende.
Zwischen Routine und Ausnahmezustand
Im Zug beobachtet Jeylan jede Bewegung. Mal hilft er beim Einsteigen, mal erklärt er Touristen die Strecke, mal sorgt er dafür, dass Gepäck nicht die Gänge blockiert. «Als Zugchef trage ich die Verantwortung für bis zu 800 Menschen», erzählt er. «Da müssen Vorschriften eingehalten werden.» Respektlosigkeiten und Aggressionen sind jedoch Alltag geworden. Erst kürzlich packte ihn ein Fahrgast am Arm, nachdem er diesen mehrfach aufgefordert hatte, die Musik leiser zu stellen. Jeylan blieb ruhig, rief die Transportpolizei. «Taten müssen Konsequenzen haben. Nur so gewinnen wir Sicherheit und Respekt zurück.»
Wie fordernd der Beruf sein kann, zeigte sich auch im vergangenen Jahr, als jeden Morgen bis zu 300 Flüchtlinge in Buchs SG aus den aus Österreich kommenden Zügen ausstiegen. Der Bahnhof war plötzlich ein Brennpunkt, die Züge verspäteten sich, die Stimmung war angespannt. «Es war eine Krise», erinnert sich Jeylan, «aber die Zusammenarbeit mit Zoll und Behörden funktionierte.» Heute ist die Lage ruhiger.
Gewerkschafter mit Herz
Bereits während seiner Lehrzeit trat Jeylan dem SEV bei. Seit Mai 2025 ist er Präsident der SEV-Sektion ZPV Rheintal-Chur und mit seinen 21 Jahren einer der jüngsten Funktionäre schweizweit. «Ich habe schnell gemerkt, wie wichtig die Gewerkschaft ist. Sie gibt uns eine Stimme – gerade in Zeiten, in denen sich vieles verändert», ist Jeylan überzeugt. Aktuell befasst er sich mit den BAR-Verhandlungen. Viele Kolleg:innen seien verunsichert oder vergrault. Deshalb hoffe man auf einen guten Kompromiss. Auch die Einführung neuer Nightjets oder heikle Situationen auf bestimmten Zugstrecken beschäftigen ihn.
Ausgleich jenseits der Schiene
Privat sucht Jeylan den Ausgleich in der Natur, mit Freunden und seinem Lebenspartner, der für ihn ein wichtiger Ruhepol ist. «Die Schichtarbeit bringt Unregelmässigkeit mit sich. Da ist es umso wertvoller, jemanden an der Seite zu haben, der das versteht.» Gemeinsam reisen die beiden gerne, mal spontan, mal geplant – oft zu Freunden.
Vorbereitungen im Abstellfeld
Szenenwechsel. Bevor der Nightjet von Zürich nach Graz und Zagreb fährt, führt Jeylans Weg nach Zürich-Altstetten. Auf dem weiten Abstellfeld stehen mehrere Garnituren nebeneinander. Was für den Kundenbegleiter Routine ist, wirkt für Laien rätselhaft: Bremsen prüfen, Kupplungen kontrollieren, Wagenbedientafeln bedienen. Jeder Handgriff sitzt auf Anhieb – obwohl es sich zum Teil um in die Jahre gekommene Waggons handelt, die an alte James-Bond-Filme erinnern.
Nach und nach trifft die kroatische Crew ein. Man kennt sich, lacht, verbringt die Pause gemeinsam. Dann kommt der Lokführer, der den Zug in einem ersten Schritt in den Zürcher HB fährt, wo die österreichischen Kolleg:innen zusteigen und schliesslich die Fahrgäste, darunter viele junge Leute und auch ein Schosshund.
Wächter der Nacht
Ein Pfiff und die Abfahrerlaubnis von Jeylan – für die Crew und den Lokführer das klare Signal: Jetzt geht es los! Der Nachtzug setzt sich um 20.40 Uhr in Bewegung. Die Stimmen werden leiser, die Lichter gedämpft. Jeylan streift durch die Abteile, kontrolliert Billette, prüft Türen, nickt Fahrgästen zu, die es sich bereits in den Schlafwagen gemütlich gemacht haben. Für einen Moment wirkt Jeylan wie ein Fährmann, der Menschen sicher durch die Nacht bringt.
Für ihn endet die Reise dort, wo sie am Mittag begonnen hat: in Buchs SG. Gerne wäre er noch weitergefahren, doch auch hier wartet noch Arbeit, bevor seine Schicht kurz vor Mitternacht endet: Jetzt gilt es den Zug für die Weiterreise nach Österreich vorzubereiten. Erst als der Nightjet aus dem Bahnhof rollt, gönnt sich Jeylan einen kurzen Moment. Er zückt sein Handy, fotografiert die roten Rücklichter, die im Dunkeln verschwinden – und lächelt. «Ein gutes Gefühl.»
Eva Schmid