Auf den Spuren von ...
Karin Hofmann, erste Matrosin in der Schweiz

Karin Hofmann schrieb 1988 Geschichte: Sie wurde Matrosin, als erste Frau in der Schweiz. Mit Entschlossenheit und handwerklichem Können erkämpfte sich die Pionierin ihren Platz an Deck und wurde damit zur Wegbereiterin für viele Frauen nach ihr. Heute arbeitet sie im Bahntechnik-Zentrum der SBB in Hägendorf.
Karin Hofmann war schon als Kind vom Handwerk fasziniert. Ihr Vater führte eine Schreinerei und Zimmerei. Doch in den 1970er-Jahren war es alles andere als üblich, dass Mädchen einen handwerklichen Beruf ergreifen und Fussball spielen. Beides tat sie trotzdem. 1987 schloss sie erfolgreich die Lehre zur Bauschreinerin ab. Dass sie gegen starre Rollenbilder ankämpfen musste, war für sie eher Ansporn als Hindernis.
1987 stiess sie auf ein Stelleninserat der Bodensee-Schifffahrt, die damals noch zur SBB gehörte. Gesucht wurden Matrosen mit handwerklicher Ausbildung – eigentlich passte alles. Doch statt einer Einladung erhielt sie eine Zuteilung zur Wagenreinigung in Rorschach. «Frauen wollte man in diesem Beruf einfach nicht», sagt sie rückblickend. Erst ein Verantwortlicher aus der SBB-Zentrale Kreis III setzte sich für sie ein. Im Januar 1988 konnte Karin Hofmann schliesslich in Romanshorn starten – als erste Matrosin der Schweiz.
Pionierin mit Hindernissen
Der Einstieg war kein Spaziergang. Niemand wusste so recht, was man mit einer Frau in dieser Rolle anfangen sollte. Karin musste sogar das Versprechen abgeben, in den ersten vier Jahren nicht schwanger zu werden. Eine Uniform gab es für sie nicht – ihre erste massgeschneiderte erhielt sie ein halbes Jahr später. «Es gab weder getrennte Garderoben noch sanitäre Einrichtungen für Frauen», erinnert sie sich und ergänzt: «In gewissen Betrieben ist das heute noch so.» Diesen Umständen zum Trotz hielt sie durch. Bald wechselte sie auf die Kursschiffe, bestand alle nautischen und weiteren Prüfungen und wurde als vollwertige Fachkraft anerkannt. Medienberichte machten sie als erste weibliche Matrosin rasch zur schweizweiten Sensation – von der Regionalpresse bis hin zum «Blick».
Vom Deck in die Werft
Nach neun Jahren auf dem Schiff entschied sich Karin Hofmann für einen Wechsel in die Werft. Dort konnte sie ihre technischen und handwerklichen Fähigkeiten voll einbringen: Im Sommer löste sie den Yachthafenmeister ab, wasserte Boote und Yachten aus und ein, legte und setzte Masten bei den Segelbooten und führte Reparaturen auf den Kursschiffen durch. «Es war erfüllend zu sehen, wie aus einem beschädigten Schiff wieder ein Schmuckstück wurde», erzählt sie begeistert. In der Werkstatt war sie nicht länger «die Frau unter Männern», sondern einfach eine geschätzte Kollegin. Einziger Wermutstropfen: Die Ausbildung zur Maschinistin blieb ihr verwehrt. Der dafür erforderliche Lehrabschluss in einem technischen Beruf war Frauen damals nicht zugänglich.
Auf dem See zuhause
Heute lebt sie mit ihrer Partnerin in Rheineck am Bodensee. Ihre aktuelle berufliche Tätigkeit führt sie ins Bahntechnik-Zentrum der SBB in Hägendorf, wo sie zu Beginn wiederum die einzige Frau war. Wegen des langen Arbeitswegs übernachtet sie unter der Woche in der Nähe des Arbeitsplatzes. «Rheineck ist mein Rückzugsort, dort tanke ich Kraft. Hägendorf ist mein berufliches Zuhause.» Für Ausgleich sorgt auch ihr Hobby: Mit einem alten Segelboot sticht sie zusammen mit ihrer Partnerin und Hund Timo auf den Bodensee. Auch ihre Ferien verbringt Karin am liebsten auf dem See.
Vorbild mit Haltung
Seit 1991 ist Karin Hofmann Mitglied beim SEV. Die gewerkschaftlichen Angebote und Kurse, vor allem jene der SEV Frauen, sind für sie eine wertvolle Quelle der Weiterbildung und des Austauschs. «Ich wollte nie eine Trittbrettfahrerin sein, die nur von den Errungenschaften anderer profitiert», betont sie. Ihr Engagement gilt vor allem der Gleichstellung im Berufsleben und dem Mut, sich auch gegen Widerstände durchzusetzen. «Ich bin stolz, wenn ich junge Frauen sehe, die heute in technischen Berufen selbstverständlich unterwegs sind», sagt die heute 58-Jährige, die vielen jungen Kolleginnen ein Vorbild ist. «Aber ich weiss auch: Rechte, die heute selbstverständlich wirken, wurden hart erkämpft. Und wir dürfen nicht aufhören, uns dafür starkzumachen.»
Eva Schmid
Lerne weitere Pionierinnen wie Karin Hofmann kennen – an der Jubiläumstagung der SEV Frauen vom 28. November 2025 in Bern.
Infos und Anmeldung: sev-online.ch/bildungstagung