Stellenabbau bei SBB Cargo
SEV kämpft weiter gegen «G-enesis»
Am 11. August hat die Leitung von SBB Cargo die Mitarbeitenden nach dem Abschluss des Leitfadenverfahrens Nummer 5 über die nächste Etappe der grossen Reorganisation «G-enesis» informiert. Der SEV berät Mitglieder, begleitet sie zu Gesprächen, interveniert bei GAV-Verletzungen und kämpft weiter gegen den Abbau von SBB Cargo.

Die neusten Reorganisationsmassnahmen betreffen mehrere hundert Personen schweizweit insbesondere in den Bereichen Asset Management, Planung & Steuerung, Travor und Transportoperation (siehe auch Artikel zu SBB Cargo in der Süd- und Westschweiz). «Diese Reorganisationen beinhalten auch ‹Box Move›, d. h. ganze Einheiten werden ohne grosse Veränderungen organisationstechnisch andernorts angegliedert», sagt SEV-Gewerkschaftssekretär Philipp Hadorn. «Mit den vorliegenden Projekten plant die aktuelle Führungsriege eine Unternehmung mit vereinfachter Produktion, die tendenziell ausschliesslich Standardleistungen anbietet. Auch will sie die Bedienpunkte ausdünnen und die Kosten mittelfristig vollständig auf die Kundschaft überwälzen.»
SBB Cargo visionslos und rückzugsorientiert
Die Unternehmensleitung schätzt, dass sich die Belegschaft durch diese mehrjährige Transformationsphase um rund 400 Vollzeitstellen reduziert. Und sie rechnet mit einem Volumeneinbruch von um die 15 %.
Gemäss GAV gilt es bei wesentlichen Reorganisationen die Gewerkschaften anzuhören. Im Rahmen von Konsultationsverfahren nimmt der SEV Stellung. «Bisher zeigt die Unternehmung wenig Gehör für unsere Einwände», bedauert Philipp Hadorn. «Insbesondere wiesen wir darauf hin, dass das Abbauprojekt zu einer grundsätzlich falschen ‹verkehrten Verlagerung› führt, nämlich von der Schiene auf die Strasse, und dass die Betroffenen dringend Abfederungsmassnahmen brauchen, die über den GAV hinausgehen. Doch bis jetzt waren die Verantwortlichen nicht zu nennenswerten Korrekturen bereit.»
Personal bezahlt die Zeche
Die Erfahrung der vergangenen Jahrzehnte zeige zwar, dass SBB Cargo Transformationsprozesse nie wirklich wie vorgesehen umsetzt und die Zuständigen aus der Verantwortung entlässt, bevor die Veränderungen abgeschlossen sind, so Philipp Hadorn weiter. «Dennoch waren die Kollateralschäden solcher Abbauprojekte gravierend, insbesondere für die Mitarbeitenden. Und als Folge davon ist SBB Cargo bereits heute stark redimensioniert unterwegs. Unserer Aufforderung, uns wenigstens einen Businessplan mit ihren Annahmen vorzulegen, ist die Leitung bisher auch nicht nachgekommen. Das schadet dem Vertrauen zusätzlich.Gut ist, dass dieses defensive Verhalten von SBB Cargo auch ausserhalb der Unternehmung zunehmend zu Widerstand führt.»
Wertvoller Schutz im GAV
Dank dem gültigen GAV SBB Cargo sind dem personalpolitischen Fiasko aber wenigstens gewisse Grenzen gesetzt, denn er enthält bereits griffige Auflagen für Stellenabbau:
• Kündigungsschutz nach vier Dienstjahren und ab Alter 58 für alle;
• SBB Cargo muss den GAV-unterstellten Mitarbeitenden bei Stellenverlust zumutbare Stellen anbieten;
• aktuelle Löhne sind durch eine befristete Besitzstandsgarantie gesichert.
«Es gilt nun mit Argusaugen darauf zu schauen, dass alle GAV-Vorgaben eingehalten werden», betont Hadorn. «Der SEV steht seinen Mitgliedern insbesondere für Beratungen und Begleitungen zu den anstehenden schwierigen Gesprächen über ihre berufliche Zukunft zur Verfügung. Zudem unterstützen wir alle Kräfte, welche die Fehlentscheidungen zu korrigieren versuchen. Dazu gehören auch unsere Interventionen bei der Politik, beim Bundesamt für Verkehr und beim zuständigen Bundesrat.»
Markus Fischer
Für Güter die Bahn!
Kommentar von Philipp Hadorn, Gewerkschaftssekretär und Leiter SEV-Team Cargo.
Mit dem aktuellen «Leitfadenverfahren», einem Konsultationsverfahren gemäss Vereinbarung von 2020, hat die Unternehmensspitze innert weniger Monate zum fünften Mal angekündigt, dass bei SBB Cargo in Zukunft organisationstechnisch kaum ein Stein auf dem andern bleiben soll. Auch wenn Veränderungsprozesse eigentlich zu einer normalen Unternehmensentwicklung gehören, leidet SBB Cargo unter einer besonders akuten und chronischen Form von «Reorganitis»: Alle paar Jahre tauchen neue Manager auf mit dem Auftrag, die Prozesse und das Geschäftsgebaren grundlegend zu verändern. Bisher meist nur mit einem Ziel: Kosten senken. Ambitioniertes Wachstum ist kein Thema. Weder Perspektiven für Mitarbeitende als Referenz auf dem Arbeitsmarkt noch soziale Sicherheit werden angestrebt, .
Die Leitung orientiert sich an Defiziten und verhält sich reaktiv, statt zu versuchen, die (politischen) Rahmenbedingungen zukunftsorientiert zu gestalten und Marktanteile zurück- bzw. neu zu erobern. Gerade dies wäre aber das Gebot der Stunde. Mit einem selbstbewussten und einladenden Auftritt gegenüber der Öffentlichkeit, mit guten und nachhaltigen Dienstleistungen für die Kundschaft und mit einer fair behandelten Belegschaft im Rücken wäre es möglich, den Transporttrend der Zukunft zu prägen. Für Güter die Bahn!