SBB Cargo: Stellenabbau gefährdet Know-how
Am 20. Mai hat SBB Cargo die Mitarbeitenden über einen weiteren Stellenabbau informiert. Der SEV will dazu endlich einen seriösen Businessplan sehen. «Oberste Priorität hat jetzt ein anständiger und sorgfältiger Umgang mit allen Mitarbeitenden, und dass für alle passende Lösungen für eine sichere berufliche Zukunft gefunden werden», betont der zuständige SEV-Gewerkschaftssekretär Philipp Hadorn. «Entscheidend sind auch Zukunftsperspektiven für den Güterverkehr.»

Zum Verständnis des neusten Abbaus zuerst ein Blick zurück: Im Dezember legte SBB Cargo den Sozialpartnern eine erste Abbautranche zur Konsultation vor mit der Begründung, dass die Wirtschaftsschwäche zu einem Verkehrsrückgang führte. Darum sollten 81,6 Vollzeitstellen (FTE) bis Ende 2025 wegfallen. Davon wurden aber 27 im Tessin nach Intervention des SEV gleich wieder ausgeklammert zwecks vertiefter Analyse. Somit betraf die im März kommunizierte erste Hiobsbotschaft noch 54,6 FTE, davon 38,8 in der Produktion an diversen Standorten, 11,8 im Vertrieb in Olten und 4 im Bereich Finanzen in Olten.
Der SEV betonte schon damals, dass Cargo bei einer allgemeinen wirtschaftlichen Erholung genug Leute haben muss, um den wieder zunehmenden Verkehr fahren zu können.
Am 27. März informierte SBB Cargo die Sozialpartner über den Abbau von 72 weiteren FTE in der Produktion, davon 48,9 FTE im Tessin (Leitfadenverfahren II), also 22 mehr als vorher angedacht, sowie 23,1 FTE in der übrigen Schweiz (Leitfadenverfahren III). Als Gründe nannte die Leitung ihren strategischen Entscheid, ab 2026 keine Transitzüge mehr für DB Cargo zu fahren, und weitere Verkehrsverluste wegen der Wirtschaftsflaute. SBB Cargo legt acht Terminals für den kombinierten Verkehr still.
Irreversibler Personalabbau ohne Businessplan?
Der SEV nahm am 29. April Stellung und forderte einen Stopp der Umsetzung, bis ein Businessplan vorgelegt wird, der aufzeigt, wie SBB Cargo nach diesem Abbau erfolgreicher produzieren will. «Die geplante Reduktion und Vereinfachung des Angebots führt mittelfristig kaum zu wirtschaftlichem Erfolg, noch kann so die zwingend erforderliche Verlagerung der Güter von der Strasse auf die Schiene gelingen», warnt Philipp Hadorn. «Um seriös beurteilen zu können, ob der Abbau wenigstens dazu beiträgt, dass es später besser kommen könnte, möchten wir endlich einmal eine Strategie mit konkreten Annahmen und Berechnungsgrundlagen sehen.»
Der SEV befürchtet, dass nach dem Abbau zahlreicher Fachleute mit wertvollem Know-how bei SBB Cargo in Kürze die Produktion nicht mehr richtig funktionieren wird. Darum regte er an, Mitarbeitende mit zu wenig Einsatzmöglichkeiten vorübergehend an andere Unternehmen auszuleihen, vor allem innerhalb des SBB-Konzerns. Doch die Leitung legte in ihrer Antwort vom 6. Mai erneut keinen Businessplan vor und lehnte alle SEV-Forderungen ab. Darunter waren mehrere personalfreundliche Lösungen, die über die GAV-Bestimmungen hinausgingen. Die Cargo-Leitung stellte klar, dass der GAV massgeblich sei.
Wertvoller Schutz im GAV
In der Tat enthält der Gesamtarbeitsvertrag von SBB Cargo bereits griffige Auflagen bei Stellenabbau:
• Kündigungsschutz nach vier Dienstjahren und ab Alter 58 für alle;
• SBB Cargo muss Mitarbeitenden bei Stellenverlust zumutbare Stellen anbieten;
• die aktuellen Löhne sind durch eine befristete Besitzstandsgarantie gesichert.
Es gilt nun mit Argusaugen darauf zu schauen, dass alle GAV-Vorgaben eingehalten werden. Falls Kolleg:innen den Eindruck haben, dass GAV-Pflichten nicht erfüllt werden, sollten sie den SEV umgehend kontaktieren, damit er intervenieren kann. Beispielsweise falls sie unter Druck gesetzt würden, Dinge anzunehmen, die sie nicht annehmen müssen. Der SEV steht seinen Mitgliedern auch für Beratungen und Begleitungen zu den anstehenden schwierigen Gesprächen über ihre berufliche Zukunft zur Verfügung.
Wie geht es weiter mit SBB Cargo?
Es geht nicht alles unter! Aber SBB Cargo wird einmal mehr redimensioniert, wie es viele Mitarbeitende schon mehrfach erlebt haben – und zwar massiv. Schlag auf Schlag sollen weitere Abbautranchen folgen, denn die Leitung beabsichtigt, im Rahmen der Reorganisation «G-enesis» bis 2030 einen Fünftel der Belegschaft abzubauen, gegenüber den rund 2120 Vollzeitstellen Ende 2024.
Damit verbunden ist insbesondere ein weiterer Abbau beim Einzelwagenladungsverkehr mit dem Ziel, nach einer vorübergehenden Phase der Unterstützung durch den Bund Eigenwirtschaftlichkeit zu erreichen – auch wenn dies wenig realistisch ist, solange die Rahmenbedingungen für die Bahn im Konkurrenzkampf mit der Strasse so ungünstig bleiben wie bisher. Der SEV wird weiter dafür kämpfen, dass die Politik ein Einsehen hat und unbefristete Abgeltungen für den Einzelwagenladungsverkehr spricht, um eine weitere Verlagerung des Güterverkehrs auf die Strasse zu verhindern. Denn zusätzliche Staus und noch mehr Lärm und Abgase von Lastwagen dienen niemandem.
Sicher ist: SBB Cargo wird weiter Fachkräfte brauchen. Es gibt Hinweise, dass sich der neue Produktionsleiter auch schon Sorgen macht, dass nach dem Abbau Leute mit dem nötigen Know-how fehlen werden. Es gilt endlich die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen!
Markus Fischer