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Bildungsprogramm

Bildung: Unsere Interessen besser vertreten

Der aktuellen SEV-Zeitung liegt das Bildungsprogramm für 2026 bei. Das Programm beinhaltet sowohl Kurse vom gewerkschaftlichen Bildungsinstitut Movendo als auch das SEV-Kurs-Angebot. SEV-Präsident Matthias Hartwich und die SEV-Gleichstellungs- und Bildungsverantwortliche Sibylle Lustenberger haben sich zu einem Gespräch über gewerkschaftliche Bildung getroffen.

Matthias Hartwich: Soeben haben wir das neue Bildungsprogramm veröffentlicht. Das ist ein guter Moment, über Bildung und Gewerkschaft zu sprechen. Gibt es auch noch andere Gründe?

Sibylle Lustenberger: Ja, Movendo feiert nämlich nächstes Jahr das 25-jährige Jubiläum. Interessant ist, dass Movendo nicht das erste Bildungsinstitut der Schweizer Gewerkschaften war – das erste wurde bereits 1912 gegründet. Unsere gewerkschaftliche Bildungsarbeit hat also eine lange Tradition. Ziel ist es, Mitglieder in ihrer Arbeit und Interessenvertretung zu stärken. Das Movendo-Bildungsprogramm bietet Kurse, die auf das Arbeitsleben zugeschnitten sind: Gesundheit am Arbeitsplatz, Schlaf, Ernährung, Diskriminierung, aber auch die eigenen Rechte kennen und sich für andere einsetzen. Gleichzeitig geht es auch darum, die strukturellen und politischen Rahmenbedingungen zu verstehen, die das Arbeitsleben prägen. Damit nicht nur einzelne, sondern alle Kolleginnen und Kollegen profitieren.

Matthias Hartwich: Das klingt spannend. Bildungsarbeit bei Movendo ruht also auf drei Säulen, wenn ich das recht verstehe? Berufliche Qualifikation, persönliche Kompetenzen wie Rhetorik oder Versammlungsleitung, und rechtliche Themen wie Arbeitszeitgesetz oder Kommissionen. Manche Angebote wirken für Aussenstehende vielleicht ungewöhnlich, aber sie haben immer konkrete Relevanz, oder?

Sibylle Lustenberger: Genau. Movendo-Kurse sind in erster Linie berufsübergreifend, also für alle Mitglieder relevant. Daneben gibt es SEV-spezifische Kurse, zum Beispiel Einführung ins Arbeitszeitgesetz, ein äusserst beliebter Kurs. Das ist besonders wichtig, damit unsere Mitglieder ihre Rechte am Arbeitsplatz kennen und vertreten können.

Matthias Hartwich: Das erste Bildungsinstitut der Gewerkschaften wurde also sieben Jahre vor dem SEV gegründet. Arbeitnehmer:innen-Bildung war also bereits vor der Gründung vieler Gewerkschaften ein zentraler Punkt. Nur wer die Welt und die Arbeitswelt versteht, kann fundierte Entscheidungen treffen und gemeinsam erfolgreich Interessen vertreten. Wir haben heute auch Kurse in unserem Gewerkschaftshaus an der Steinerstrasse 35. Ich würde unser Gewerkschaftshaus gern noch stärker als Lern- und Begegnungsort nutzen, auch kulturell. Wie siehst du das?

Sibylle Lustenberger: Das ist eine spannende Idee. Die können wir gerne weiterentwickeln. Ich kenne aus universitären Kontexten Lesegruppen, die gemeinsam Bücher lesen und besprechen. Solche Formate könnte man auch für uns prüfen. Wichtig ist aber, dass wir die Rahmenbedingungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer berücksichtigen, wie Anreise oder Schichtarbeit. Wir haben Kolleginnen, die von weit herkommen, oder Kollegen, die sich nicht so einfach für einen Kurs die Zeit freischaufeln können. Movendo hat vor einigen Jahren damit begonnen, Webinare anzubieten, also Kurse, die über das Internet besucht werden können. Zum Beispiel berichtet Pierre-Yves Maillard aus dem Bundeshaus. Digitale Angebote sind eine gute Ergänzung, besonders für Kolleginnen und Kollegen, die nicht vor Ort sein können.

Matthias Hartwich: Natürlich wollen wir das Haus beleben, aber auch elektronische Lernformen nutzen. Besonders spannend ist unsere neue E-Learning-Plattform. Das bedeutet, man muss nicht unbedingt nach Bern kommen, um einen Kurs zu besuchen, sondern kann auch nach persönlichen Bedürfnissen und Möglichkeiten die eigene Bildung vorantreiben

Sibylle Lustenberger: Im Moment arbeiten wir an einem Pilotprojekt für das Lokpersonal zur Vorbereitung auf die periodische Prüfung. Zusammen mit SBB-Ausbildnern bauen wir die Plattform so auf, dass Mitglieder eigenständig lernen, ihren Wissensstand prüfen und Kontaktmöglichkeiten nutzen zu können. Ist der Pilot erfolgreich, können wir das Format auch auf andere Berufsgruppen und Bereiche ausdehnen. Solche digitalen Formate ergänzen Präsenzkurse, ersetzen sie aber nicht. Der persönliche Austausch bleibt zentral.

Matthias Hartwich: Gewerkschaftsarbeit lebt vom Menschen, vom gemeinsamen Lernen und Austauschen – das kann kein Bildschirm ersetzen, nur ergänzen. Zum Abschluss: Gibt es noch etwas, das du unseren Mitgliedern ans Herz legen willst?

Sibylle Lustenberger: Jedes Mitglied darf einen Movendo-Kurs pro Jahr und beliebig viele SEV-Kurse gratis besuchen. Das ist im Mitgliederbeitrag enthalten. Unsere Mitglieder nutzen dieses Angebot intensiv. Die Nachfrage ist gross, das Programm sehr beliebt. Mir persönlich am Herzen liegen vor allem die Kurse, die auf Gewerkschaftsarbeit abzielen – etwa für Sektionsvorstände, wo Grundlagen vermittelt und praktische Übungen wie Rollenspiele angeboten werden.

Matthias Hartwich: Ich wünsche allen Mitgliedern viel Erfolg beim Lernen. Das ist die schärfste Waffe im Kampf um die Rechte der Arbeitnehmer:innen ... Und meldet euch rechtzeitig an!

Michael Spahr