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Wenn ein Konflikt ausartet

Unsere Gerichte lassen keine Gelegenheit aus, in Entscheiden zu Missbrauchsfällen geradezu gebetsmühlenartig festzuhalten, dass das private Arbeitsvertragsrecht vom Grundsatz der Kündigungsfreiheit ausgeht. Deshalb bedürfe es für die Rechtmässigkeit einer Kündigung grundsätzlich keiner besonderen Kündigungsgründe.

Nicht ganz so «frei»

Demgegenüber verlangt das öffentliche Personalrecht stets das Vorliegen sachlicher Gründe für eine Kündigung. Eine weitere Einschränkung erfährt die Kündigungsfreiheit insofern, als eine Kündigung, die auf missbräuchlichen Gründen beruht, eine Strafzahlung zur Folge haben kann. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich im konkreten Fall um ein privatrechtliches oder um ein öffentlich-rechtliches Arbeitsverhältnis handelt. Missbräuchlich ist eine Kündigung dann, wenn sie aus bestimmten, in Art. 336 OR umschriebenen unzulässigen Gründen ausgesprochen wird, wobei diese Aufzählung nicht abschliessend ist. Aus aktuellem Anlass soll nachfolgend die der Generalklausel zuzuordnende Fallkonstellation der missbräuchlichen Konfliktkündigung näher beleuchtet werden.

Zerrüttete Verhältnisse

Bei der sogenannten «Konfliktkündigung» steht – wie der Name bereits vermuten lässt – ein Arbeitsplatzkonflikt im Vordergrund. Ein derartiger Konflikt stört bekanntermassen nicht nur das Arbeitsklima, sondern birgt überdies Gefahren für Persönlichkeit und Gesundheit der betroffenen Arbeitnehmer/innen. Die dem Arbeitgeber obliegende Fürsorgepflicht gebietet dem Arbeitgeber aber, die Persönlichkeit der Arbeitnehmenden zu achten und zu schützen. Er hat zum Schutz von Leben, Gesundheit und persönlicher Integrität die berechtigten Interessen der Arbeitnehmenden zu wahren, sich jedes durch den Arbeitsvertrag nicht gerechtfertigten Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte zu enthalten und diese also auch gegen Eingriffe von Vorgesetzten, Mitarbeitenden oder Dritten zu schützen. Er muss geeignete Massnahmen ergreifen, um Persönlichkeitsverletzungen durch Dritte entgegenzuwirken.

Gespräche können helfen

Welche konkreten Massnahmen der Arbeitgeber in einer Konfliktsituation zu ergreifen hat, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Als geeignet erachten die Gerichte die Durchführung von Einzel- und Gruppengesprächen mit den Konfliktbeteiligten, das Erteilen von konkreten Verhaltensanweisungen, den Beizug einer Vertrauensstelle oder einer externen Beratungsunternehmung zwecks Teamcoaching sowie das Unterbreiten von Vorschlägen zur endgültigen Beilegung des Streits. Sie betonen, dass die Massnahmen zur Konfliktentschärfung einerseits rechtzeitig ergriffen werden müssen und sich der Arbeitgeber zum anderen nicht mit einer simplen Aussprache begnügen darf.

Kündigung ist keine Lösung

Unterlässt es der Arbeitgeber, rechtzeitig die ihm zumutbaren und geeigneten Massnahmen durchzuführen und entledigt er sich des Konflikts stattdessen, indem er dem betroffenen Arbeitnehmer kündigt, so handelt er missbräuchlich und riskiert, in einem allfälligen Verfahren zu einer Strafzahlung gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer verurteilt zu werden.

Geldentschädigung oder Wiederanstellung

Leider sprechen die Gerichte regelmässig bloss geringe Entschädigungen zu und der vom Gesetzgeber vorgesehene Rahmen wird praktisch nie ausgeschöpft. Die Zurückhaltung der Gerichte bei der Festsetzung der Strafzahlung ist unverständlich und torpediert die Absicht des Gesetzgebers, Missbräuchen effektiv entgegenzutreten. Mitarbeitende im Geltungsbereich des GAV SBB, deren Beschwerde wegen Missbräuchlichkeit gutgeheissen wird, haben wahlweise Anspruch auf Strafzahlung oder Weiterbeschäftigung (Ziffer 185 Abs. 2 GAV SBB).

Rechtsschutzteam SEV