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Pflege von kranken Angehörigen
Wer kennt es nicht, mitten in der Nacht hustet und niest es aus dem Kinderzimmer. Bei allen Sorgen und organisatorischen Ärgernissen, wissen wir, dass wir das Recht haben, zu Hause zu bleiben und die kleine Schniffnase zu betreuen. Aber wie verhält es sich eigentlich, wenn der Partner, die Partnerin oder die Eltern krank werden und Betreuung brauchen?
1. Rechtsgrundlage
Seit der Revision des Obligationenrechts (OR) und des Arbeitsgesetzes (ArG) im Zuge der Umsetzung der familienpolitischen Reformen (in Kraft seit 1. Januar 2021) besteht ein gesetzlicher Anspruch auf bezahlten Urlaub zur Betreuung erkrankter Angehöriger.
• Art. 329h OR regelt den Anspruch auf Freizeit für die Betreuung von Angehörigen mit gesundheitlicher Beeinträchtigung.
2. Anspruchsvoraussetzungen
Arbeitnehmerinnnen und Arbeitnehmer haben Anspruch auf Freizeit, wenn:
• ein naher Angehöriger (z. B. Ehepartner:in, eingetragene:r Partner:in, Lebenspartner:in, Kind, Eltern, Schwiegereltern, Geschwister) betroffen ist,
• dieser eine gesundheitliche Beeinträchtigung hat, die eine Betreuung erforderlich macht,
• die Betreuung unentgeltlich und persönlich durch den/die Arbeitnehmer:in erfolgt.
3. Dauer des Urlaubs
• Pro Krankheitsfall besteht ein Anspruch auf max. drei Tage bezahlte Betreuungsfreizeit.
• Der Gesamtanspruch ist auf zehn Tage pro Jahr beschränkt.
4. Sonderregelung: Betreuung schwer kranker Kinder
Neben dem allgemeinen Betreuungsurlaub besteht ein besonderer Anspruch gemäss Art. 329i OR:
• Eltern haben Anspruch auf einen Betreuungsurlaub von bis zu 14 Wochen, wenn sie ein Kind mit schwerer gesundheitlicher Beeinträchtigung betreuen müssen.
• Dieser Urlaub kann innerhalb von 18 Monaten bezogen werden.
• Die Lohnfortzahlung erfolgt über die Erwerbsersatzordnung (EO).
5. Verhältnis zu Fürsorge- und Treuepflicht
Die Bestimmungen konkretisieren das Gleichgewicht zwischen:
• Arbeitspflicht und Treuepflicht des/der Arbeitnehmer:in einerseits,
• Fürsorgepflicht des Arbeitgebers (Art. 328 OR) andererseits.
6. Rechtsfolgen bei Verweigerung
Verweigert der Arbeitgeber den gesetzlich garantierten Betreuungsurlaub, verletzt er zwingendes Recht. Der/die Arbeitnehmer:in kann:
• die Freistellung einklagen,
• bei beharrlicher Verweigerung allenfalls eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund prüfen (Art. 337a OR).
Je nach Ausgestaltung des GAV können auch längere Fristen möglich sein.
Wir dürfen also zu Hause bleiben und uns kümmern. Aber auch hier gilt, dass die Betreuung nur so lange dauern darf, bis eine andere Lösung vorliegt, und es muss wirklich aus medizinischer Sicht auch die Notwendigkeit gegeben sein. Eine offene Absprache mit der vorgesetzten Person hilft, hier das richtige Mass zu finden.
Rechtsschutzteam SEV