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Stachelige Kastanien und eine Petition gegen gewerkschaftsfeindliche Entlassungen und Missstände bei der SNL

Der SEV hat der Direktion der Schifffahrtsgesellschaft auf dem Luganersee SNL ein Paket geschickt: Mit 1341 Unterschriften und stacheligen Kastanien (die Tessiner Version des «Kaktus» für Fehlverhalten) protestiert der SEV gegen die Führung der SNL. Die Direktion der SNL hat im Tessin in den letzten Monaten mehrfach Schlagzeilen gemacht wegen Fehlern des Managements. Am 29. Juli 2025 hat sie drei Mitarbeiter entlassen, die sich zuvor gewerkschaftlich engagiert hatten.

Diese Entlassungen nahm das Schifffahrtsunternehmen vor, nachdem es den Gewerkschaften die ausserordentliche Kündigung des Gesamtarbeitsvertrags zugestellt hatte. «Diese drei Entlassungen sind nicht, wie SNL behauptet, eine Massnahme zur Unternehmensumstrukturierung, sondern gezielte gewerkschaftsfeindliche Entlassungen. Die drei entlassenen Kollegen standen der Gewerkschaft nahe und waren kritische Stimmen innerhalb des Unternehmens», sagt der zuständige Gewerkschaftssekretär des SEV, Angelo Stroppini. «Der erste Kollege war Mitglied der Personalkommission, der zweite war Kandidat für die Vertretung der Belegschaft im Stiftungsrat der Pensionskasse und der dritte hat die Gewerkschaft eingeschaltet, um seine legitimen Rechte in Fragen des Arbeitszeitgesetzes geltend zu machen. Es waren also drei unbequeme Mitarbeiter, die das Unternehmen loswerden wollte. Dass dies kurz nach der Kündigung des GAV passierte, ist kein Zufall. Es ist eine klare Strategie, um diejenigen vom Verhandlungstisch fern zu halten, die verschiedene Besorgnis erregende Missstände aufgedeckt hatten.»

Die Missstände, die der SEV anprangert, sind:

  • Die wenig transparente Verwaltung der Pensionskasse
  • Die Umgehung des Gesamtarbeitsvertrags des Lago Maggiore
  • Unregelmässigkeiten bei der Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes und der entsprechenden Verordnung

Bei diesen heiklen Punkten hatten die Gewerkschaften Schwierigkeiten, Informationen zu erhalten und einen konstruktiven sozialpartnerschaftlichen Dialog mit der Geschäftsleitung aufzubauen.

Petition gegen Entlassungen und Missstände

Die Entlassungen sind ein direkter und bewusster Angriff auf die Gewerkschaftsfreiheit. Sie sind ein klares Zeichen für eine Einschüchterungspolitik. Für den SEV sind sie nicht hinnehmbar, erst recht nicht in einem Unternehmen, das öffentliche Gelder erhält. Deshalb wurde die Petition des SEV in der ganzen Schweiz von zahlreichen Kolleginnen und Kollegen unterschrieben. Die Unterschriften sind ein Zeichen der Solidarität mit den drei entlassenen Arbeitnehmern und allen anderen Beschäftigten des Unternehmens, die einem skrupellosen Arbeitgeber ausgeliefert sind.

Die Unterzeichnenden der Petition fordern:

  • Die sofortige Rücknahme der Entlassungen
  • Das dringende Eingreifen der politischen und institutionellen Behörden des Kantons und der Stadt
  • Die Einstellung der öffentlichen Finanzierung für Unternehmen, die die Grundrechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Füssen treten

Für Angelo Stroppini ist klar: «Gleichgültigkeit ist keine Option. Die Unterzeichnenden haben reagiert, weil sie sich bewusst sind, dass das, was heute ihren Kollegen von der SNL passiert ist, in Zukunft auch sie treffen könnte. Es ist nicht hinnehmbar ist, dass diejenigen bestraft werden, die für ihre Rechte eintreten.»

Ein Fass ohne Boden

Wir haben bereits ausführlich vom zweifelhaften Wechsel der Vorsorgelösung der Schifffahrtsgesellschaft auf dem Luganersee (SNL) berichtet: Grobe bis peinliche Interessenskonflikte, fünffach überhöhte Vermögensverwaltungsgebühren sowie eine massive und dauerhafte Underperformance haben uns bewogen, bei der zuständigen Behörde in Zürich eine aufsichtsrechtliche Beschwerde einzureichen.

Dieses aufwändige Verfahren dauert mehrere Monate und wird voraussichtlich Ende 2025, spätestens Anfang 2026 zu einem Ergebnis seitens der Aufsichtsbehörde führen. Unsere Feststellungen sind dermassen frappant und haarsträubend, dass wir uns eine Folgenlosigkeit kaum vorstellen können. Aber warten wir diesbezüglich ab, mit Geduld und Zuversicht.

Die SNL scheint diese Geduld und Zuversicht jedoch nicht zu haben. Unser zuständiger Gewerkschaftssekretär Angelo Stroppini und ich wurden kürzlich für eine Schlichtung eingeladen. Der angebotene Deal war in einfachen Worten ausgedrückt: «Zieht die bisherigen Vorwürfe zurück, und dafür verklagen wir euch nicht.» Es versteht sich von selbst, dass wir ein derartiges Angebot mit Vehemenz und Empörung abgelehnt haben.

In der Zwischenzeit ist die SNL Subjekt von zahlreichen Interpellationen im Tessiner Parlament geworden. Nebst den zahlreichen Fragen zur Pensionskasse sind auch noch gewährte und abgeschriebene Kredite im Umfang von 391'712 Franken Gegenstand von Abklärungen. Der SNL-Präsident Agostino Ferrazzini verfügt innerhalb der SNL über die Einzelunterschrift und nimmt wie folgt Stellung dazu: «Auch der Urvorgänger im 1916 hatte die Einzelunterschrift, das ist bei uns Tradition.» Das ist kein Witz! Dann wird aktuell auch über die Gewährung von einer sechsstelligen Kreditsumme an eine Cateringgesellschaft befunden, deren Präsident Martino Pinelli ist, ein sehr enger Vertrauensmann von SNL-Präsident Agostino Ferrazzini, und Vizepräsidentin dieser Gesellschaft ist Ferrazzinis Frau Mirjam. Als wäre das nicht seltsam genug, lässt die Gastroline ihre Rechnung nicht einmal revidieren.

Wir vom SEV haben diesen unsäglichen Modus Operandi der SNL schon anlässlich der Pensionskassenuntersuchung erlebt. Es kann nicht sein, dass die SNL sich leistet, riesige Kredite einfach abzuschreiben, und gleichzeitig drei verdiente Mitarbeitende entlässt.

Kommentar von Aroldo Cambi, Finanzverwalter des SEV