Kapers-Präsidentin im Gespräch
Schutzmauer gegen Sozialdumping

Kapers, Partnergewerkschaft des SEV innerhalb des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, vertritt die Interessen des Kabinenpersonals in der Luftfahrt. Präsidentin Sandrine Nikolic-Fuss, die selbst als Flugbegleiterin bei der Swiss arbeitet, spricht über zunehmenden Druck auf Arbeitsbedingungen, den Kampf gegen Sozialdumping und gewerkschaftliche Zusammenarbeit.
Sandrine Nikolic-Fuss, was sind derzeit die grössten Themen, die Kapers beschäftigen?
Unsere Branche ist extrem instabil. Kaum hat sich der Luftverkehr von einer Krise erholt, folgt schon die nächste. Die aktuelle Bedrohung ist die massive Unterwanderung unserer Arbeitsplätze. Wir sehen uns mit einem strukturellen Sozialdumping konfrontiert, das durch das sogenannte Wetlease-Modell befeuert wird – also die Auslagerung von Flugzeugen samt Besatzung an andere Airlines, oft aus Ländern mit tieferen Löhnen und schwächerem Arbeitsschutz.
Für das Bodenpersonal, das von SEV-GATA vertreten wird, wurde kürzlich ein Urteil gefällt, das für Klarheit sorgt: Wer in der Schweiz arbeitet, muss nach Schweizer Bedingungen angestellt werden. Für euch als fliegendes Personal war das Urteil hingegen ein Rückschlag. Warum?
Weil die Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Zürich als Rekursinstanz eine Verfügung des kantonalen Amts für Wirtschaft und Arbeit revidiert und entschieden hat, dass diese Regelung nicht für fliegendes Personal gilt. Das öffnet Tür und Tor für Sozialdumping. Schweizer Fluggesellschaften können künftig Crews aus dem Ausland einsetzen, die zu deutlich schlechteren Löhnen arbeiten. Das ist ein klarer Wettbewerbsnachteil für uns, aber auch ein Angriff auf den Schweizer Arbeitsmarkt. Es ist absurd: Sozialdumping wird damit quasi amtlich abgesegnet.
Deshalb steht der SEV solidarisch auch auf eurer Seite. Wie geht ihr nun vor?
Wir haben Beschwerde eingereicht, damit der Kanton seine Entscheidung revidiert. Immerhin wurde dank unserer Initiative entschieden, dass wenigstens das Bodenpersonal geschützt ist. Nun wollen wir dasselbe für das fliegende Personal erreichen. Ganz Europa schaut auf uns – das ist ein Präzedenzfall. Wenn wir verlieren, wird das Modell des Wetlease unkontrolliert Schule machen. In Europa herrscht jetzt schon ein regelrechter «Wilder Westen». Es gibt Fluggesellschaften, die eigentlich über eigene Flugzeuge und Crews verfügen, diese jedoch zunehmend selbst verleasen und ihren heimischen Markt mit günstig geleastem Personal und Material abdecken. Wir gehen den Weg bis zum Schluss, also notfalls auch bis zum Bundesgericht. Es geht nicht nur um uns, sondern um den Schutz der gesamten Branche.
Auch drohender Stellenabbau bei der Swiss sorgt für Unruhe. Wie schätzt ihr das ein?
Die Lufthansa-Gruppe will sparen – das trifft auch die Swiss. Betroffen sind vor allem Verwaltungs- und Bodenstellen, aber natürlich wirkt sich das auch auf uns aus. Aktuell ist von rund 400 zu vielen Flight Attendants in der Schweiz die Rede. Hinzu kommen technische Probleme, und der Mangel an Piloten. Doch die Branche war schon immer krisenanfällig. Ein Zwischenfall irgendwo auf der Welt – und der europäische Flugverkehr steht still. Neu ist aber der politische Druck: Die EU will die Luftfahrt weiter liberalisieren. Das bedeutet noch mehr Konkurrenz und Unsicherheit für das Personal.
Wie wichtig ist für euch die Zusammenarbeit mit anderen Gewerkschaften, wie mit SEV-GATA in der Schweiz und der Europäischen Transportarbeiter-Föderation ETF?
Extrem wichtig. Wir müssen gemeinsam handeln. Das Entsendegesetz schützt uns nicht ausreichend. Wir haben in der Schweiz gute Gesetze auf dem Papier, aber zu wenig Durchsetzung. Hier hilft die enge Kooperation mit dem SEV, der stark im Verkehrssektor verankert ist. Auch die Zusammenarbeit mit der ETF ist enorm wichtig. Die Kolleginnen und Kollegen in Europa sehen uns als letzte Schutzmauer gegen die totale Liberalisierung.
Michael Spahr